Die Fahrradseiten

Ostseetour - von Schwedens Norden bis Hamburg

Montag, 02.07.2007, Oulu - Tornio, 146 km
Wie üblich, bin ich schon früh auf den Beinen, und um 08.00 Uhr verlasse ich das Hotel. Die Post macht erst um 09.00 Uhr auf, so dass ich noch einmal einen Abstecher auf den Markt mache. Erstmals kann ich mir die auf einem früheren Urlaub so geliebten Erbsenschoten kaufen, die in Finnland nicht nach Gewicht, sondern nach Litern in Messbechern abgemessen und verkauft werden. Ich kaufe mir eine Tüte Schoten, die ich später bei einer Rast genüsslich verzehre. Dann bringe ich das Päckchen zur Post und zahle dafür 30 €. Eine ganze Menge, aber dafür habe ich jetzt erheblich mehr Platz frei in den Satteltaschen, was gerade beim Einkauf von Lebensmitteln unterwegs sehr angenehm ist.
Das Wetter ist wieder einmal top, und erstmals auf meiner gesamten Tour sehe ich wirklich eine Menge Radfahrer unterwegs. Die Beschilderung der Radwege erleichtert mir die Orientierung sehr, und ich bin bald aus Oulu heraus. Kurz hinter der Stadt werde ich von einer Seniorengruppe überholt, an die ich mich sofort anhänge. Sie machen gerade ihre wöchentliche Ausfahrt, und ich kann mich 20 km im Windschatten "ausruhen". Später treffe ich tatsächlich auf der Strecke die erste Radtouristin, seit ich aus Berlin gestartet bin. Es ist eine junge Schweizerin, die mit dem Flugzeug nach Rovaniemi (am Polarkreis) geflogen und von dort aus quer durch Finnland nach Helsinki unterwegs ist, wo sie eine Freundin treffen will. Wir halten eine kurzen Schwatz über Reiseziele und Fahrbedingungen, dann geht es weiter. Der Wind - schräg von vorn - frischt auf, aber dennoch komme ich gut voran. In Kemi verliere ich leider eine ganze Menge Zeit, weil ich immer an der Autobahnauffahrt lande und nicht den richtigen Weg aus der Stadt heraus finde. Das nervt, und außerdem macht sich erstmals seit längerer Zeit wieder mein Knie bemerkbar, so dass ich vorsichtshalber mit der Geschwindigkeit zurückgehe.
Über die Elchwechselschilder an den Straßen mache ich mir als "erfahrener Nordlandfahrer" schon gar keine Gedanken mehr, aber ein anderes Schild zeigt mir doch recht deutlich, wie weit nach Norden ich mich schon vorgearbeitet habe. Hinweis auf Rentierzucht

Hinweisschild am Straßenrand



Die Rentierzucht ist Sache der Lappen oder Samen, die den Norden Skan-dinaviens überwiegend nördlich des Polarkreises länderübergreifend bewohnen.
Bald ist auch Tornio in Sicht, mein heutiges Ziel, die Grenzstadt nach Schweden, die zusammen mit dem schwedischen Haparanda eine Doppelstadt an der Nordspitze der Ostsee bildet. Ich quartiere mich im Kaupungi-Hotel, gleich hinter der Brücke über den Tornionjoki-Fluss ein, der die Stadtr durchschneidet und in die Ostsee mündet. Tornio mit seinen gut 20.000 Einwohnern hat nicht all zu viel zu bieten - auf den Straße ist an diesem Montagabend "tote Hose". Eine Kuriosität bietet die Stadt jedoch mit ihrem Golfplatz Green Zone, der sowohl auf finnischen wie auf schwedischem Gebiet verläuft: ein Abschlag auf schwedischem Gebiet in den finnischen Teil der Anlage landet wegen der Zeitzonengrenze dort einen Tag später. Aber das macht die Stadt auch nicht viel attraktiver, so dass ich bald wieder in meinem Hotelzimmer bin und Fahrvarianten durchspiele, die alle darauf abzielen, zumindest bis zum Polarkreis (ca. 100 km) oder gar bis zum Nordkap zu fahren. Aber ich kann mich nicht entscheiden und schlafe darüber ein.

Dienstag, 03.07.2007 Tornio - Lulea (Schweden), 142 km
Am Morgen bin ich stocksauer. 94 € haben sie mir in diesem Hotel ( man merke sich das Kaupungi-Hotel) für ein kaum mittelmäßiges Zimmer abgenommen. Das empfinde ich angesichts der geringen Attraktivität von Tornio als Abzockerei und mache das auch deutlich. Allerdings scheint der Hotelmanager wenig beeindruckt.
Den Polarkreis habe ich mir zwischenzeitlich ebenso aus dem Kopf geschlagen wie das Nordkap. Ersterer scheint mir für einen zweitägigen Umweg nicht lohnend genug, und der letztere übersteigt einfach den Planungsrahmen. Zum Nordkap zu fahren, würde die Tour um 14 Tage verlängern. Das kann ich meiner Frau nun wirklich nicht mehr zumuten. Also mache ich mich auf die vorgeplante Strecke, bekomme gar nicht mit, wo ich schwedisches Staatsgebiet erreiche und befinde mich bald auf der Europastraße 4 (E 4), die mich die nächsten Tage begleiten wird. Sie ist die einzige Straßenverbindung, die um die Nordspitze der Ostsee herumläuft und eine direkte Verbindung zur Mitte Schwedens bietet. Wenn ich nicht Riesenumwege mit unübersehbaren Bergstrecken in Kauf nehmen will, komme ich an der E4 nicht vorbei. Das Grundproblem für Radfahrer ist, dass sie natürlich für den Fernverkehr konzipiert worden ist und keinerlei Konzessionen an Radfahrer macht. Das bedeutet überwiegend das Fehlen eines ausreichend breiten Randstreifens und gerade dort, wo die Straße breiter wird und 2 Fahrspuren auf jeder Seite hat, fällt meist der Randstreifen ganz weg. Statt dessen ist rechts oftmals eine Leitplanke, die ein Ausweichen gar nicht mehr zulässt. Da soll mir während der nächsten Tage noch öfter sehr mulmig werden, wenn ich von hinten das Herandröhnen eines LKW's höre, der dann auch noch auf meiner Höhe von einem PKW überholt wird. Besonders schlimm sind die Karawan-Fahrer, die offenbar zum Teil überhaupt keine Vorstellung von der Breite ihrer Anhänger haben. Schwedische Landschaft

Schwedische Impressionen


Aber zunächst ist noch sehr wenig Verkehr, so dass sie Fahrt durch die weite schwedische Landschaft bei besten Bedingungen Freude aufkommen lässt. An der Strecke plötzlich ein einzelnes Gehöft mit einem Hinweis auf Lappen-Erzeugnisse. Das interessiert mich. Ich fahre auf den Hof. Ein älterer Mann in Begleitung eines jungen Farbigen bietet mir Rentierfleisch und -schinken und andere landestypische Nahrungsmittel an. Ich bin daran aber nicht interessiert und mache ihm mit Hilfe des jungen Mannes, der Englisch spricht, deutlich, dass ich Dinge suche, die ich für meine Familie mitnehmen möchte. Als er versteht, führt er mich in ein anderes Gebäude, in dem allerlei Krimskrams, aber auch ein paar interessante, kunsthandwerkliche Dinge sind. Schließlich erstehe ich ein sehr schönes Rentierfell für umgerechnet 50 €. In meinen Gepäcktaschen ist dafür aber nicht genug Platz, so dass ich mit ihm vereinbare, dass er das Fell einpackt, zur Post bringt und abschickt. Ich gebe ihm auch Portogeld und warte seitdem auf das Fell.
p.s.:  ich warte immer noch :-(( Ich war wohl mal wieder zu gutgläubig!
In Kalix, auf halber Strecke nach Ulea, kauf ich mir in einem Sportgeschäft einen Gel-Überzug für meinen Sattel, der die Sitzprobleme zwar weiter verringert, aber auch nicht völlig beseitigt. Nun ja, inzwischen habe ich mich damit abgefunden, dass mich diese Probleme bis ans Ende meiner Tour begleiten werden und ertrage sie beinahe stoisch.
Kurz vor Lulea wird die E 4 zur Autostraße - das habe ich aber nicht gemerkt. Erst als vor mir ein Schild das Ende der Autostraße in 800 m ankündigt, werde ich darauf aufmerksam. Na, das hätte ja sehr peinlich werden können.
Lulea selbst ist eine Art Inselstadt mit ca. 70.000 Einwohner und einer technischen Universität (mit 1.300 Studenten). Sie liegt direkt an der Ostsee auf mehreren Landzungen und Inseln. Lulea Fu�g�ngerzone

Lulea, Fußgängerzone


Wie vorher schon im finnischen Oulu habe ich auch hier den Eindruck, als wenn gerade jemand sauber gemacht hätte. Alles hell, aufgeräumt, freundlich, man muss sich hier einfach wohl fühlen. Die Innenstadt mit jeder Menge Straßenrestaurants auch abends bevölkert. Auffallend hier oben: man sieht nur wenige Hunde, was sich auf die Lulea, Stadtbild

Lulea, Stadbild


Sauberkeit der Straßen sehr positiv auswirkt. Ich finde endlich einmal wieder eine geöffnete Touristeninformation, die mir auch schnell ein preiswertes Zimmer vermittelt. Abends gehe ich essen und bummle noch lange durch die Stadt, bevor ich zurück ins Hotel gehe. Mein Fahrrad steht draußen auf dem offenen Hof, aber der Hotelchef hat mir versichert, dass ich keinen Diebstahl befürchten muss.

Mittwoch, 04.07.2007   Lulea - Byske   142 km
Als ich gegen 08.00 Uhr aus meinem Hotel abfahre, ist die Stadt schon lebendig. Wie immer habe ich mir die Route festgelegt, dieses Mal sogar mit dem vom Touristenbüro erhaltenen Stadtplan. Die Ausfahrt wird eine Katastrophe. Wie auch immer ich fahre, lande ich jedes Mal auf einer Autostraße, die zur E4 führt. Als ich dann auf's Geratewohl von der Hauptstrecke abbiege, verfahre ich mich völlig und irre eine Stunde lang durch ein Waldgelände. Entnervt mache ich mich auf den Rückweg und fahre nochmals bei der Touristeninformation vorbei, wo ich mit Hilfe der netten Bedienung und einer speziellen Radfahrerkarte abkläre, wo ich denn nun langfahren darf. Jetzt klappt es auch, und bald habe ich Lulea hinter mir gelassen und bin wieder der E4 mit ihrem bedrohlichen Verkehr ausgesetzt. Mehrmals kann ich sie verlassen und Nebenstrecken benutzen, aber dadurch fahre ich natürlich Umwege und mehr Steigungen, als mir lieb ist. So wird die eigentlich bis Skelleftea geplante Tour erheblich länger, und als ich nach 140 km in dem kleinen Ort Byske eine Ferienwohnanlage finde, quartiere ich mich dort ein. Ich habe eines von diesen schmucken Holzhäusern ganz für mich, die übrigens aus der Nähe nicht ganz so schön aussehen wie von der Straße her.

Donnerstag, 05.07.2007   Byske - Umea  180 km
Bis Skelleftea brauche ich nur wenige Kilometer die E 4 befahren, und dort biege ich auf die Landesstraße 364 ab, die mich heute völlig von der E 4 fernhalten soll - ein fast verhängnisvoller Fehler. Abgesehen davon, dass ich mich damit auf eine dauernde Berg- und Talfahrt eingelassen habe, gerate ich in die längste Baustelle meines Lebens. Neben mehreren richtig großen Baustellenabschnitten mit kilometerlangen Schotterstrecken gibt es unzählige kleinere Schotterstücke. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass die ganze Reparatur darin besteht, einfach genügend Schotter auf die Straße zu werfen und abzuwarten, bis der sich irgendwie festgefahren hat. Beim Fahrradfahren ist das absolut ätzend. Besonders mache ich mir um meine Reifen Sorgen, denn die kantigen Steine können jeden Fahrradreifen zerstören. Meine Spezialreifen halten glücklicherweise, aber dennoch sind die Schotterfelder ein arges Hindernis, das mich auch noch zwingt, eine Menge Staub einzuatmen, wenn mir Fahrzeuge begegnen oder mich überholen. Die Fahrerei zieht sich auf diese Weise mehr als 30 km hin. Mein Wasservorrat ist längst verbraucht, aber weit und breit kein Laden, in dem ich etwas einkaufen könnte. Als ich mich schon entschlossen habe, beim nächsten Haus einfach um etwas Wasser zu bitten, komme ich in ein Dorf mit einem Geschäft und fülle mich selbst und meine Getränkeflaschen randvoll ab.
Die Fahrt auf der L 364 bringt mir aber auch ein besonderes Erlebnis. Nicht einmal auf freier Strecke, sondern gegenüber von einem einsamen Bauernhof steht auf einmal ein Vogel, dessen Existenz ich bisher nur aus Büchern kannte - ein Großer Brachvogel. Steht dort unbeweglich am Straßenrand, dass ich ihn fast übersehen hätte. Ich halte an und zücke meinen Fotoapparat - er bleibt stehen und schaut mich nur an. Vorsichtig stelle ich das Fahrrad ab, mache ein Foto und gehe langsam auf ihn zu. Als ich ihm zu nahe auf die Pelle rücke, fliegt er nicht einfach weg, sondern geht würdevoll ein paar Schritte weiter. Großer Brachvogel

Großer Brachvogel


Ich fordere ihn nicht weiter heraus, mache noch zwei Fotos und schaue ihn mir noch eine Zeitlang an. Das ist wirklich ein Highlight für einen Vogelfreund wie mich. Dabei habe ich mich schon gewundert, dass ich in Finnland und Schweden so wenige Vögel gesehen habe. Nur jede Menge Nebel- und sonstige Krähen, die wohl wie bei uns unter Naturschutz stehen und sich sicherlich nachteilig für die Singvogelpopulation auswirken. Und jetzt ein Brachvogel. Ich bin begeistert! Das Erlebnis beflügelt mich, und als ich aus dem Baustellenbereich heraus bin, habe ich die letzten 40 Kilometer bis Umea eine tolle Rückenwindfahrt. Zum Schluss wundere ich mich, 180 km auf meinem Tageszähler zu lesen, denn die Strecke war insgesamt nicht einfach. Aber meine Kondition scheint jetzt wirklich ganz ordentlich zu sein.
Umea
Umea - die Birkenstadt


Umea ist wieder so eine dieser hübschen schwedischen Städte mittlerer Größe, die ich gleich ins Herz schließe. Sie ist wie Lulea eine Universitätsstadt, und das merkt man auf den Straßen, in denen man viele junge Leute sieht, die die Straßencafes frequentieren. Irgendwann werde ich die Tour an der schwedischen Küste entlang noch einmal mit dem Auto machen und mir dann für diese Städte mehr Zeit nehmen.

Freitag, 06.07.2007   Umea - Örnsköldsvik   134 km
Was für ein Zungenbrecher, der Name meines heutigen Zielorts. Der Weg dorthin führt wieder über eine brutale E 4, die ich im Laufe dieser Tour hassen gelernt habe. Schwedenhaus

Schwedische Holzhäuser in den typischen Farben Gelb und Rotbraun


Es ist wirklich lebensgefährlich, sie zu befahren. Dabei ist es nicht so, dass sich hier nur Verkehrsrowdies tummeln, eher das Gegenteil. Aber es ist eben eine "Beinahe-Autobahn", auf der kein Platz für Radfahrer eingeplant ist, und da sind dann viele Überholvorgänge von Haus aus problematisch - und es reicht ja ein einziger Autofahrer, der nicht richtig aufpasst oder sich verschätzt.
Dabei habe ich aber auch meine Lieblingsautos. Es sind die mit Holz beladenen LKW's, die mich um die ganze nördliche Ostsee begleiten. Nicht einer von ihnen ist mir jemals zu nahe gekommen, und wenn sie vorbei sind, folgt ihnen stets eine Schleppe frischen Holzgeruchs, den ich gerne aufnehme. Zur Mitte Schwedens hin werden sie leider seltener.
Die Küste ist hier viel hügeliger als auf der finnischen Seite und bildet viel Fjorde. So gibt es während der Fahrt ein ständiges Auf und Ab, das aber durch den ausgleichenden Bau der E4 etwas abgemildert wird - auch mal etwas Positives zu dieser Strecke. Weicht man auf Nebenstraßen aus, bekommt man die Steigungen sofort in natürlicher Größe zu spüren.
Ich bleibe heute aber auf der E4 und erreiche Örnsköldsvik bei Regen. Das erste Mal nach dem finnischen "Eistag", dass ich mein Regenzeug benutzen muss. Ein Hotel am Stadteingang ist mir zu teuer, und so fahre ich weiter ins Zentrum, wo mir das Touristenbüro ein preiswertes Zimmer vermittelt. Von dort aus habe ich Aussicht auf die Sprungschanze, von der die Skispringer sozusagen direkt in das Zentrum der kleinen  Stadt springen. Sprungschanze Örnsköldsvik

Sprungschanze in Örnsköldsvik


Die Stadt bietet darüber hinaus zahlreiche Wintersportmoglichkeiten, und eine der bekanntesten Sportlerinnen Schwedens, Magdalena Forsberg - eine Legende unter den Biathletinnen, ist hier zu Hause. Wegen des anhaltenden Regens beschränken sich meine Aktivitäten heute darauf, mir ein nettes Speiselokal zu suchen. Den weiteren Abend verbringe ich in meinem Hotel.

Samstag, 07.07.2007   Örnsköldsvik - Hörnösand  107 km
In der Nacht habe ich nur 4 Stunden schlafen können und bin morgens wie gerädert. Wenn ich an die E4 denke, vergeht mir schon die Lust zu fahren. Ich habe einen richtigen Durchhänger, der sich noch durch das schlechte Wetter verstärkt. Den ganzen Tag über Regen und Wind, dann noch Sitzprobleme - diesen Tag streiche ich am besten aus meiner Tour. Hörnösand ist zwar ein ganz hübsches Städtchen, aber das Wetter und meine Laune sind nicht geeignet, mich dort intensiver umzusehen.

Sonntag, 08.07.2007   Hörnösand - Gnarp   102 km
Meine Sitzprobleme muss ich jetzt schon mit Pflastern bekämpfen. Und auf der Strecke  wieder Regen,  heftiger Wind und die E4. So macht es keinen Spaß. Gegen Mittag hört der Regen endlich auf. In Sundsvall mache ich eine Pause, trinke Kaffee in einem Bistro und schreibe eine Karte nach Hause. Auch Sundsvall eine schöne Stadt, aber ich habe kaum einen Blick dafür, sondern bin bald wieder auf der Strecke. Der starke Wind kommt jetzt von rückwärts, und ich fliege dahin. Doch dann wieder Regen, Regen, Regen... In Gnarp finde ich eine Pension, sehr billig, Toilette und Bad über den Flur, aber da sonst kein Gast auf der Etage ist, macht das nichts aus. Heute bringt mich keiner mehr nach draußen - wohin auch in dem kleinen Kaff? Dafür kann ich mir Roger Federers Wimbledonsieg im Fernsehen anschauen.

Montag, 09.07.2007   Gnarp -  Bergvik  116 km
Der vierte Tag hintereinander Regen - das wird wirklich langsam frustrierend. Und wieder die E4, auch noch mit nassen Schuhen. In Hudiksvall der große Schnitt. Ich kaufe mir ein eine neue Regenjacke und einen Gel-Sattel, den ich gleich montiere. Hudiksvall

Hudiksvall


Ich sitze deutlich besser, das Gewicht ist jetzt anders verteilt. War das der entscheidende Schritt zum schmerzfreien Fahren? Optimistisch fahre ich weiter. Es fängt wieder an zu regnen. Über den Lenker gebeugt, verpasse ich die Abfahrt von der E4 und fahre weiter bis Söderhamn. Dort endlich biege ich rechts ab auf die Landesstraße 301. Von hier aus geht es jetzt schräg durch Mittelschweden bis nach Helsingborg. Aber bis dahin sind es noch einige Tage. Nach 10 km auf der L301 wieder ein Schwenk nach links durch den Bergviken- und den Marmensee hindurch. Zwischen beiden Seen finde ich eine günstige Bed & Breakfast - Unterkunft für 33 €. Mein Abendessen besorge ich mir aus dem nahegelegenen Supermarkt.

Dienstag, 10.07.2007 Bergvik - Torsaker, 107 km
Zum Frühstück um 08.00 Uhr muss ich in das Haus nebenan gehen, wo die Wirtin wohnt. Es ist ein großes altes Haus, das sicher schon einmal bessere Zeiten gesehen hat, aber immer noch Würde ausstrahlt. Als ich 10 Minuten vor der Zeit an der Tür bin, ist diese verschlossen, also gehe ich noch einmal um den Block - es regnet glücklicherweise nicht mehr. Pünktlich um 08.00 Uhr ertönt eine Klingel und die Tür wird geöffnet. Der Frühstücksraum ist festlich hergerichtet mit schönen, fünfarmigen Leuchtern auf jedem Tisch. Ein einfaches, aber sorgfältig zusammengestelltes Büfett wartet auf mich, und die Wirtin fragt, wie ich das Ei möchte. Das ist neu, seit ich hier im Norden bin. Ich bestelle es weich (aber das Eiweiß fest!) und bin sehr gespannt. Sichtlich stolz weist sie darauf hin, dass es bei ihr auch Porridge gibt, also im Grunde nichts anderes als den Haferbrei, den ich bisher verschmäht habe. Aber dieses Mal kann ich nicht nein sagen. Er ist auch mit Milch gekocht und sieht dadurch etwas freundllicher aus. Ich esse ihn mit Zucker und Zimt und bin überrascht, wie gut er zum Frühstück passt. Wann immer in den nächsten Tagen Haferbrei auf den Tisch kommt, nehme ich mir davon und süße ihn mit Marmelade. Schmeckt mir hervorragend. Auch das Frühstücksei hat genau die Konsistenz, wie ich sie mag, das Weiße fest und das Eigelb noch flüssig. Ein sehr gelungenes Frühstück, was ich der Wirtin auch sage und sie sehr erfreut.
Jetzt also bei bedecktem Himmel, aber ohne Regen, auf die Nebenstrecke, die die ersten 100 km weitgehend parallel zur E4 läuft. Die ersten 40 km sind mit steilen Anstiegen und Abfahrten wirklich strapaziös, danach wird es flacher. Zwischendurch zwei Regengüsse, aber zum späten Nachmittag scheint erstmals wieder die Sonne.
Schwedische Impression

Schwedische Idylle

Die Strecke ist weitgehend waldig mit zum Teil sehr schönen Ausblicken. In den wenigen Orten, die ich durchfahre, halte ich vergeblich nach einem Briefkasten Ausschau, um die am Vortag geschriebenen Karten einzuwerfen, aber es ist nichts zu sehen. In Storvik, meinem eigentlichen Ziel, frage ich in einem Restaurant nach einem Hotel, aber der Wirt sagt mir, dass es hier keines gibt. Aber er gibt mir den Tip für ein B & B - Haus 10 km weiter.
Ich fahre dorthin und werde in einer Ferienwohnung im ersten Stock eines großen Ferienhauses mit separatem Eingang untergebracht. Zu dem Haus gehört auch ein Cafe, in dem ich nach langer Zeit wieder einmal ein Stück Kuchen esse. Ich habe auf der gesamten Fahrt  fast gar keine Süßigkeiten gegessen - und es fällt mir nicht einmal schwer.
Badesteg

Badesteg des Ferienhauses

Dann schaue ich mir den Teich mit Badesteg an, der zum Grundstück gehört und bin finster entschlossen, jetzt endlich einmal zu baden. Aber als ich die Treppe des Badestegs vorsichtig hinuntersteige und die Kälte des Wassers im gleichen Maße an mir emporklettert, verlässt mich der Mut und ich gehe doch lieber gleich weiter zur Dusche.

Mittwoch, 11.07.2007 Torsaker - Lindesberg   156 km
Den Kaffee zum Frühstück muss ich mir selbst aufbrühen; Frühstück ist grundsätzlich nicht vorgesehen bei einem Übernachtungspreis von 28 €. Dennoch hat mir der - außerhalb wohnende - Vermieter ein paar Scheiben Brot, Butter und Marmelade bereit gestellt. Das riesige Haus ist menschenleer, und ich werfe den Schlüssel bei der Abfahrt wie abgesprochen in den Briefkasten.
Draußen Sonnenschein, aber leichter Gegenwind. Die Landesstraße 68, der ich jetzt nach Südwesten quer durch Mittelschweden folge, ist ganz schön wellig und anstrengend. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit, die in Finnland noch bei 20 km/h lag, sinkt langsam. Dennoch komme ich einigermaßen voran und schaffe ein ordentliches Pensum von mehr als 150 km, bis ich Lindesberg erreiche, ein kleines Städtchen mit 8.000 Einwohnern und einem idyllischen Stadtsee. Stadtsee Lindesberg

Lindesberg; Stadtsee


Lindesberg hat auch ein eigenes Touristenbüro, in dem mir die hübsche junge Bedienung ein Zimmer in dem Hotel gleich visavis vermitteln will, das ich aber wegen des hohen Übernachtungspreises ablehne. Sie telefoniert und bietet mir dann ein anderes an zu dem absoluten Tiefpreis von 20 €. Der Agarden ist sicherlich kein Hotel im üblichen Sinne. Über den von der Touristinfo mitgelieferten Code kann ich ein Schlüsselkästchen öffnen, mit dem ich dann über einen Nebeneingang das Haus betreten kann. Es diente früher wohl einmal als Seniorenheim. Zwei weitere Türen muss ich noch aufschließen und befinde mich dann in einem einfachen, aber akzeptablen Zimmer mit Blick auf den See. Toilette und Bad muss ich erst auf den langen Gängen suchen. Abendessen und Frühstück besorge ich mir aus dem nahe gelegenen Supermarkt.

Donnerstag, 12.07.2007 Lindesberg - Motala, 151 km
Der Weg führt heute über Örebro, mit 127.000 Einwohnern siebtgrößte Stadt in Schweden. Im Zentrum herrscht ein quirliges Leben, und mittendrin das Schloss mit seiner 700 - jährigen Geschichte. Es ist mit seinen Verteidigungstürmen ein imposanter Bau, dem man seine ehemalige Funktion als Festung deutlich ansieht.
Festung �rebro

Schloss und Festung Örebro

Nach einem ausgiebigen Bummel durch die Stadt fahre ich weiter und komme an den Vätternsee (Vättern = Wasser) Er ist Schwedens zweitgrößter See und der fünftgrößte Europas. Er erstreckt sich in einer Länge von 135 km fast in Nord-Süd-Richtung ziemlich in der Mitte zwischen Nord- und Ostsee. Einmal jährlich findet im Juni (ich komme also zu spät) eine Jedermanns-Radrundfahrt über 300 km rund um den See statt. Das wäre eine neue Herausforderung - eine solche Strecke bin ich im Stück noch nicht gefahren. V�tternsee

Am Vätternsee


Heute habe ich nur das halbe Pensum vor mir, aber das reicht auch. Das Wetter ist gemischt; nach dem viertägigen Dauerregen ist es jetzt meist trocken, doch ab und zu kommt immer wieder einmal ein Schauer herunter. Mein Ziel ist die 30.000-Einwohnerstadt Motala, die ich nach einer schönen Fahrt entlang des Sees am späten Nachmittag erreiche. Ein Rundgang durch Motala ist nicht sehr ergiebig. Die Stadt ist auch sehr jung, erst 1822 gegründet. Mit ihrer herrlichen Umgebung ist sie aber doch für einen Urlaub durchaus attraktiv.

Freitag, 13.07.2007 Motala - Jönköping 117 km
Heute soll die Fahrt nur am Vättern-See entlang führen und an seiner Südspitze in Jönköping enden. Nach gut 30 km treffe ich in Ödeshög wieder auf eine alte Bekannte, die E4, die hier als Autobahn ausgebaut ist. Ich fahre aber auf einer schönen Landstraße am Seeufer weiter, bis ein Warnschild und ein rot-weißes Trassierband mich stoppen. Was ist passiert? Ich lasse mich nicht aufhalten und fahre weiter, doch dann werde ich endgültig gestoppt.
Straßenrutsch
Straßenrutsch am Vätternsee


Der langanhaltende Regen der letzten Tage hat die zum See führenden Bäche anschwellen lassen, und einer von ihnen hat Teile der Uferstraße unterspült und weggerissen. Mir bleibt nichts anderes übrig - ich muss umdrehen und links in die Berge hinein. Da sind einige Anstiege zu bewältigen, bei denen ich in den kleinsten Gang schalten muss. Die Waldwege sind nass, matschig und glitschig, so dass die Fahrt nicht nur anstrengend ist, sondern auch höchste Aufmerksamkeit erfordert. Auf diese Weise wird der "Spaziergang" nach Jönköping doch noch zu einer anstrengenden Tour. In unmittelbarer Stadtnähe führt ein Radweg parallel zur E4 und mir fällt auf, dass hier sehr viele LKW's aus den neuen Bundesländern unterwegs sind.
Jönköping ist eine alte Industriestadt (mit der ersten Streichholzfabrik der Welt), die schon im 13. Jahrhundert Stadtrechte erhalten hat. Sie hat heute 84.000 Einwohner. Am Bahnhof finde ich nach einiger Zeit die Touristeninformation und werde auf das Grandhotel verwiesen, das nach seinem Äußeren und dem inneren Zustand schon bessere Zeiten gesehen hat.
Grandhotel Jönköping
Grandhotel in Jönköping


Nur so ist auch der vergleichsweise moderate Übernachtungspreis von 55 € zu verstehen.
Weniger moderat sind die Preise in dem Speiserestaurant, das ich abends aufsuche. Ich habe Appetit auf ein Bier, trinke deren zwei und zahle dafür umgerechnet 10 €. Aber das wusste ich ja vorher, dass Alkohol in den skandinavischen Staaten teuer ist. Dabei gibt es gerade bei Bier eine Unterscheidung der Sorten im Alkoholgehalt - je mehr Alkohol, desto teurer ist das Bier.

Samstag, 14.07.2007 Jönköping - Ljungby, 119 km
Sonntag, 15.07.2007 Ljungby - Helsingör, (Dänemark) 144 km

Auf Ljungby mit seinen knapp 15.00 Einwohnern trifft das zu, was auf alle schwedischen Städte zurtrifft, die ich durchfahren habe - hell, sauber, freundlich, mit einer schönen Umgebung und mindestens einem See oder direkt an der Ostsee gelegen. Von anderem Kaliber ist da schon Helsingborg, das dem dänischen Helsingör gegenüber liegt. Die Stadt mit ihren 92.000 Einwohnern ist ein bedeutender Industriestandort und der zweitgrößte Hafen Schwedens.
Helsingborg
Helsingborg



Und genau den steuere ich jetzt an, denn ich will heute noch mit der Fähre nach Helsingör übersetzen. Der Fährhafen ist einigermaßen unübersichtlich. Ich muss in einer Halle in den ersten Stock und mein Fahrrad mit Gepäck unbeaufsichtigt am Eingang stehen lassen. Habe bei dem Riesenbetrieb dort kein gutes Gefühl, aber was soll ich machen? Oben kaufe ich mir ein Ticket - ganz billig, ca. 2,50 € - und flitze dann gleich wieder nach unten. Es ist nichts passiert. Dann suche ich die Zufahrt zum Schiff, muss um den ganzen Bau herum und auch noch fragen, bevor ich ohne Ticketkontrolle durchgewinkt werde. Da ich schon über 120 km in den Beinen habe, will ich es mir auf dem Schiff richtig gemütlich machen. Aber verschätzt - ich habe die erste Bockwurst und ein Bier noch gar nicht ganz verzehrt, als die anderen Passagiere schon abwandern. Nur 20 Minuten dauert hier die Überfahrt nach Dänemark. Auf dänischer Seite führt eine schöne Uferstraße Richtung Kopenhagen.Und hier sehe ich erstmals einen wirklich vorbildlichen Radwegebau. Die Schnittstellen zwischen Straßen und Radwegen sind nämlich nicht, wie in allen anderen Ländern inkl. Deutschland, mit einem mehr oder weniger hohen Absatz zwischen Straße und Radweg versehen, sondern verlaufen wirklich fließend. Seitdem frage ich mich, warum das nicht auch bei uns möglich ist.
Es ist schon nach 18.00 Uhr, deshalb suche ich mir auf der Strecke ein Zimmer. Da zeigt sich dann die Kehrseite der Medaille. Ein eher wie eine Pension wirkendes Hotel verlangt 105 € - das ist mir einfach zu viel. So fahre ich weiter und folge einem Hinweisschild auf einen "Rum", womit nicht die Aussicht auf alkoholische Getränke gemeint ist, sondern wo privat ein Zimmer angeboten wird. Wirklich nicht berauschend, was mir hier - ohne Frühstück - für 60 € offeriert wird. Aber ich denke, auf dieser Strecke zwischen Helsingör und Kopenhagen gibt es kaum etwas Günstigeres.

Montag, 16.07.2007, Helsingör - Kopenhagen - Vordingborg, 146 km
So langsam mache ich mir Gedanken, was ich mitbringen kann von meiner Reise. Kopenhagen scheint mir das richtige Einkaufspflaster zu sein. Es sind nur 30 km bis dorthin, die bei bestem Wetter und schöner Uferstraße noch durch eine kleine Episode angereichert werden. Kurz nach dem Start werde ich nämlich von zwei jungen Frauen auf Rennrädern überholt, und da ich noch frisch und ausgeruht bin, hänge ich mich einfach an die beiden ran. Das scheint ihnen aber nicht sonderlich zu gefallen. Sie erhöhen das Tempo, aber mit 30 km/h bin ich nicht abzuhängen. Bei einer leichten Steigung versuchen sie es erneut, aber vergeblich. So fahren wir über 10 km hintereinander, bis bei mir langsam die Einsicht kommt, dass mir das an ihrer Stelle auch nicht gefallen würde. Wenn ich eine Tour auf dem Rennrad machen würde und mir hängte sich ein Fahrer mit schwerbeladenem Tourenrad an, würde ich das als ziemlich nervend und geradezu demütigend empfinden. Also lasse ich sie soweit voraus fahren, dass ein Beobachter keinen Zusammenhang mehr zwischen ihnen und mir sieht. Immerhin, ich halte die Geschwindigkeit und bin so sehr früh in Kopenhagen, wo ich sie schnell aus den Augen verliere. Die Stadt bietet das Bild einer quirligen, lebendigen Großstadt und glänzt in ihrem Zentrum mit prachtvollen alten Bauten. Mir fällt sofort der Eingang des wohl berühmtesten Vergnügungsparks Europas, des Tivoli, ins Auge, der schon 1843 eröffnet wurde und immer noch ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt ist.
Kopenhagen, Tivoli
Eingang zum Tivoli


Mit dem Einkaufen ist es schwierig. Es gibt zwar jede Menge Geschäfte. aber nirgendwo habe ich das Geföhl, hier bestimmt etwas zu finden, was meine Lieben zu Hause erfreuen könnte. Aber ich bin auch nicht richtig bei der Sache, weil ich mir mehr die Stadt anschaue, und im übrigen einen immer stärkeren Zug Richtung Heimat verspüre. So registriere ich schließlich Kopenhagen als eine der Städte, die ich mir später einmal genauer ansehen werde, und mache mich nach etwa 2 Stunden wieder auf den Weg.
Die Fahrt aus der Stadt heraus bringt mich zunächst auf Abwege, aber nach Befragung eines einheimischen Radfahrers komme ich auf eine sehr schöne, verkehrsfreie Radroute, die mich bei optimalen Fahrbedingungen entlang der Köge-Bucht über Köge bis nach Vordingborg führt, das mein Sprungbrett nach Deutschland sein soll. Vordingborg ist ein relativ gesichtsloses kleines Städtchen an der Südspitze Seelands mit einem einzigen Hotel, auf das ich also trotz der knackigen Übernachtungskosten von 80 € angewiesen bin. Ich zahle im voraus per EC-Karte. Gewechselt habe ich in Dänemark nur ein paar übriggebliebene schwedische Kronen, die ich dann am Abend in einem Eiscafe auf den Kopf haue.

Dienstag, 17.07.2007, Vordingborg - Neustadt, 131 km
Die Strecke heute führt mich von Vordingborg (Seeland) über eine endlos lange Brücke zur Insel Falster und von dort auf die Insel Lolland, von deren Südspitze aus ich dann ab Rödbyhavn nach Puttgarden (Fehmarn) übersetzen will. Der Wind bläst frisch von rechts vorn, so dass die Fahrt einigermaßen anstrengend ist. Die Storströmbrücke ist mit mehr als 3 km so lang, dass ich sie bei der leicht diesigen Sicht gar nicht komplett überblicken kann. Der Belag ist nicht mehr ganz neu, aber das ist bei dem Alter der Brücke (1937 erbaut) auch nicht verwunderlich. Es ist fast kein Verkehr darauf, und so kommt bei der Fahrt hoch über dem Meer ein Moment der Losgelöstheit auf, der allein schon die heutige Etappe lohnenswert macht.
Storströmbrücke
Die Storströmbrücke


Jetzt das kurze Stück durch Falster, die Brücke nach Lolland und dann quer durch Lolland nach Rödbyhavn. Auf Lolland hole ich eine junge Frau ein, die mit ihrem Partner eine Radtour durch Dänemark macht. Sie kämpft verbissen gegen den recht kräftigen Wind an, der ungehindert über die freie Ebene streicht, ist aber doch schon ein paar Hundert Meter abgehängt von ihrem Partner. Ich bedeute ihr, sich links hinter mich zu hängen und führe sie dann in meinem Windschatten wieder an ihren Partner heran. Sie freut sich und wir verabschieden uns winkend - die gleiche Fähre haben die beiden leider nicht mehr geschafft.
An Deck des Fährschiffs, das mich nach Puttgarden bringt, nehme ich eine Möwe auf, die uns begleitet, sozusagen als Symbol für die lange, unbeschwerte Reise, die sich jetzt dem Ende zuneigt.
Möwe

Reisebegleitung

Auf Fehmarn fühle ich mich fast schon wie zu Hause, war die Insel vor Jahren doch mehrfach das Urlaubsziel für unsere Familie. Heute aber geht es weiter, denn ich will in Neustadt noch mit einem alten Freund Kontakt aufnehmen, den ich schon seit knapp 40 Jahren nicht mehr gesehen habe.
Nach der Zimmerbuchung in Neustadt rufe ich ihn an, und er holt mich eine halbe Stunde später vom Hotel ab. Es ist ja immer spannend, jemanden nach so langer Zeit wiederzusehen, aber wir haben uns sofort wiedererkannt und sind auch gleich wieder auf einer Wellenlänge. Es wird ein schöner Abend, in dessen Verlauf ich unter anderem auch frage, was denn inzwischen so in Deutschlend passiert ist, da ich in den letzten 5 Wochen überhaupt keine Information gehabt habe. Er schaut seine Frau an, sie ihn, sie überlegen beide, und unter gemeinsamem Gelächter kommen sie zu dem Schluss, dass eigentlich überhaupt nichts passiert ist, was ich nun unbedingt wissen müsste.

Mittwoch, 18.07.2007, Neustadt - Hamburg, 116 km (gesamt 4.808 km)
Die letzte Etappe steht an; sie führt mich über Lübeck und Bad Oldesloe nach Hamburg, wo mich meine Familie erwartet. Als Hamburg in Sicht kommt, werde ich doch ein bisschen wehmütig, denn nun geht die lange Reise endgültig zu Ende, und der Alltag hat mich wieder. Aber um mir die düsteren Gedanken zu vertreiben, kommt ein kräftiger Gewitterguss zum Abschluss gerade richtig und macht mir den Geist wieder klar. Ein bisschen ärgere ich mich über die katastrophalen Radwege in Hamburg, die oftmals den Namen nicht verdient und im Grunde nur Alibifunktion haben, aber der tolle Empfang durch meine Frau und die Kinder macht dann endgültig wieder alles klar. Und zum Abschluss präsentiere ich mich stolz in dem geschenkten Gelben Trikot mit den Ostseeumrissen darauf.

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